Mein Missverständnis
Stell dir vor, du wachst morgen auf und dein LinkedIn-Profil ist leer. Keine Jobtitel, keine Erfolge – nur dein Name. Wer wärst du dann? Diese Frage stellte mir das Leben – nicht theoretisch, sondern sehr real.
2019 war ich:
✅ Gesundheitsbewusst
✅ Personalleiter
✅ Ehemann
Ich glaubte, dass mein Wert als Mensch vor allem von meiner beruflichen Leistung abhing. Also sammelte ich Erfolge, polierte meinen Lebenslauf. Und rannte. Immer schneller. Wie der Hamster im Rad.
Ende 2020 war ich:
❌ Chronisch krank
❌ Gekündigt
❌ Getrennt
Plötzlich war all das weg, was mir Struktur, Status und Stolz gab. Aber hatte es mir auch echten Sinn gegeben? Nun hielt ich nur noch Puzzleteile in der Hand – und sie passten nicht mehr zusammen. Meine bisherigen Definitionen von Erfolg und Karriere schienen wertlos. Ich fühlte mich inzwischen eher wie ein Hamster, der aus seinem Rad gefallen war und sich nun fragte, ob er überhaupt noch existierte, wenn er nicht rannte. Entpuppte sich mein innerer Antreiber als dreister Hochstapler? Hatte er mich belogen über meinen Wert als Mensch?
Die Entdeckungsreise
Heute bin ich stolz auf die Zeit nach 2020. Warum? Sie zwang mich, mir die wichtigste Frage zu stellen: Was bleibt von mir, wenn all die äußeren Definitionen wegfallen? Wer bin ich – wirklich?
Die Antwort kam nicht sofort, aber sie kam. Eines Abends fiel mein Blick auf mein schmales Bücherregal – gefüllt mit den Fotoalben meiner Kindheit. Ich zog eines wahllos heraus und fand ein Bild von mir als Achtjährigem. Mit blauen Augen und einem verschmitzten Grinsen. Neugierig. Offen für die Welt. Ich stellte mir vor, wie ich ihm gegenübersitze.
„Hey, Kleiner“, sage ich leise.
„Hey, Großer“, antwortet er sofort. „Bist du ich?“
Ich nicke. „Ja. Viele Jahre später.“
Er mustert mich misstrauisch. „Du siehst irgendwie müde aus.“
Ich seufze. „Ja. War eine wilde Fahrt.“
„Und? Bist du berühmt?“ fragt er erwartungsvoll.
Ich lache. „Nein. Aber das war auch nie mein Ding.“
„Bist du reich?“
„Kommt drauf an, wie du Reichtum definierst.“
„Hm. Bist du glücklich?“
Ich halte inne. Das ist die eigentliche Frage.
„Weißt du, ich dachte lange, Glück hängt daran, was andere über mich denken. An Jobtiteln und Erfolgen.“
Er legt den Kopf schief. „Klingt anstrengend.“
„War es auch.“
Er runzelt die Stirn. „Und was machst du jetzt so jobmäßig?“
Ich überlege einen Moment. Früher hätte ich gesagt: Ich bin Personalleiter. Aber jetzt …
„Ich liebe es, anderen Menschen Mut zu machen und unterstütze sie, ihren beruflichen Weg zu finden. Mit ihren Herausforderungen. Gerade bespreche ich mit jemandem, wie er mit einer chronischen Krankheit Führungskraft bleiben kann.“
Er grinst. „Das hast du doch schon immer gemacht!“
Ich blinzele. „Wie meinst du das?“
„Na, anderen geholfen. Erinnerst du dich an die Schule? Weißt du noch, wie du Markus ermutigt hast, vor der Klasse zu sprechen? Oder wie du Britta zugehört hast, als ihr Hund starb? Und auf dem Heimweg hast Du Geschichten erzählt – aus Büchern, aus deinem Kopf, einfach so. Damit alle lachen. Oder nachdenken.“ Ich überlege kurz und nicke langsam. Stimmt.
„Du hast nicht aufgehört, du selbst zu sein“, sagt er. „Auch in Deinen letzten Jobs warst Du sicher schon so. Du hast es nur anders genannt. Dir waren Titel und Anerkennung von außen wichtiger.“
Ich schlucke. „Du hast recht.“
„Also, Großer“, fragt er, „bist du glücklich?“
Ich lächle. „Ja. Jetzt bin ich es.“
Dein Wert ist das, was bleibt, wenn alles Äußere weg ist.
Was bleibt von Dir, wenn Du morgen nicht mehr arbeiten kannst? Deine Erfahrungen und Dein Wissen? Deine Fähigkeit, andere zu inspirieren? Deine Leidenschaften, Deine Stärken und Schwächen? Deine Ängste und Dein Mut? All das bleibt. Die Welt kann von dem profitieren, was Dich einzigartig macht – unabhängig von Deiner Jobbeschreibung und Deinem Titel.
Dein Wert als Mensch ist nicht an Deine Position, Leistung oder Gesundheit gebunden. Du bist mehr, als Deine Visitenkarte je verraten könnte. Es geht darum, zu entdecken, wer Du wirklich bist, wenn all die äußeren Definitionen wegfallen. Wann hast Du Dich zuletzt wirklich kennengelernt – nicht Deinen Lebenslauf, sondern Dich? In einer Welt, die besessen ist von dem, was wir tun, vergiss nicht, wer du bist.
Unser Lebenslauf ist nicht unsere Biografie. Und schon gar nicht unsere Identität.
Jetzt Du: Wenn Dein achtjähriges Ich Dir gegenübersäße …
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Bildquelle: Foto von Kostia777 auf Depositphotos